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BGH: Kein „rechts vor links“ auf öffentlichen Parkplätzen.

In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH, Urteil vom 22.11.2022 - VI ZR 344/21 seine Rechtsprechung zu Parkplatzunfällen aus 2015/2016 fortgeführt. Danach sind die Regeln der StVO auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen (vor Supermärkten o.ä.) zwar grundsätzlich anwendbar. Das gilt jedoch nur für die allgemeine Pflicht der gegenseitigen Rücksichtnahme aus § 1 StVO. Die Vorfahrtregel des § 8 Abs. 1. Satz 1 StVO („rechts vor links“) ist auf öffentlichen Parkplatzgeländen ohne ausdrückliche Vorfahrtregelung nicht anwendbar, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt. So setzt § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO Kreuzungen und Einmündungen voraus, sodass ein anderer Verkehrsteilnehmer „von rechts kommt“. Ein Parkplatz ist dagegen -als Ganzes betrachtet- keine Straße, sondern eine Verkehrsfläche. Vorhandene Fahrspuren dienen lediglich der Parkplatzsuche und nicht der Abwicklung des fließenden Verkehrs. Bei einem Unfall kann sich daher kein Fahrzeugführer auf „rechts vor links“ berufen.

Trotzdem bedeutet dies nicht automatisch „Haftungsteilung“, wie der BGH in seinen Entscheidungen aus 2015/2016 klargestellt hat. Danach gilt z. B. der Grundsatz des Anscheinsbeweises zulasten des Rückwärtsfahrenden auch auf Parkplätzen. Wer rückwärts setzt, den treffen erhöhte Sorgfaltsanforderungen und im Falle eines Unfalls auch der überwiegende Verschuldensanteil.