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Kindeswohl vs. Smartphone

Das AG Bad Hersfeld hat einem Vater die Auflage erteilt, von den Smartphones seiner Töcher Messenger-Apss (u.a. WhatsApp) zu löschen und deren Internetnutzung zukünftig regelmäßig mit den Töchtern zu besprechen.

Diese Maßnahme befand das Gericht für notwendig, da die Töchter in der Vergangenheit Sexting-Nachrichten eines Dritten erhalten hatten und durch die unkontriollierte Smartphone-Nutzung das Kindeswohl der heranwachsenden Töchter gefährdet sei.

 

Dem Vater wurde darüber hinaus aufgegeben, bis zum jeweils 18. Geburtstag der Töchter

 

  • seinen Töchtern jeweils nur ein internetfähiges „Smart-Gerät (Smartphone oder Tablet) zur Verfügung zustellen,
  • jegliche Messenger-Apps (z.B. WhatsApps) von deren Smartphones oder Tablet zu löschen
  • einmal im Monat jeweils ein Gespräch über den aktuellen Stand der Nutzung der Smart-Geräte zu führen und gegebenenfalls aufgekommene Fragen der Töchter, oder am Gerät aufgetretene Besonderheiten oder Vorfälle zu besprechen.
  • jeweils im März, Juni, September und Dezember jedes Jahres ist anlässlich dieser Gespräche zudem das betreffende Gerät jedes Kindes durch den Kindesvater in Augenschein zu nehmen und bezüglich dort installierter Apps sowie auf eventuell auftretende Ungereimtheiten und etwaige kindes-/jugendgefährdende Inhalte gemeinsam mit dem jeweiligen Kind durchzusehen.

 

In der Begründung der sehr lesenswerten Entscheidung heisst es u.a.:

 

"Das Gericht ist nach seinen Erfahrungen aus dem hiesigen Fall sowie aus anderen hier zur Kenntnis gelangten Fällen (…) auch der Überzeugung, dass die Nutzung des Messengers „WhatsApp“ von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren grundsätzlich eine Gefahr für ihre Privatsphäre und ihre Entwicklung darstellt, wenn nicht die Kinder vor jener Nutzung einen ausgeprägten verantwortungsvollen Umgang mit den Funktionen und den Risiken der Anwendung aufgezeigt bekommen haben und wenn sie nicht bereits eine besondere geistige Reife und vorausschauende Sicht im Hinblick auf die Nutzung dieses digitalen, umfassend vernetzten Kommunikations-Mediums aufweisen."

 

und weiter

 

"Zur Auffassung des Familiengerichts ist daher eine Person unter 16 Jahren vor diesen erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen der App „WhatsApp“ grundsätzlich in Schutz zu nehmen und es sind die Fähigkeiten zur bewussten Abgrenzung und zum aktiven Schutz einerseits der eigenen Sphäre wie auch andererseits der sozialen und rechtlichen Sphäre der Chat-Partner zunächst durch die Erziehenden gezielt zu stärken, bevor man das Kind ein digitales Programm mit derartiger Reichweite, derartigem Funktionsausmaß und derart weitreichender laufender Datenpreisgabe, sowohl an andere Nutzer als auch an den hinter der App stehenden Konzern, frei nutzen lässt."

 

AG Bad Hersfeld v. 22.06.2016 – AZ: F 361/16 EASO

Die Entscheidung im Volltext finden Sie hier.

 

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