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Verbraucher-Bauvertrag - Widerruf

Verbraucherbauvertrag auch bei „gewerkeweiser“ Vergabe

Seit der Reform des Werkvertragsrechts im Jahre 2018 ist der „Verbraucherbauvertrag“ ausdrücklich im Gesetz geregelt. Gemeint sind um Verträge nach § 650 i BGB, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.
Weil es sich um einen sog. Verbraucherbauvertrag handelt, muß der Vertrag in Textform abgeschlossen werden und der Unternehmer hat eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Baubeschreibung zu liefern (es sei denn, der Verbraucher oder ein von ihm Beauftragter erstellt die wesentlichen Planvorgaben).

Besonders hervorzuheben ist allerdings das gem. § 650 l BGB eingeräumte Widerrufsrecht, über welches der Unternehmer entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu belehren hat.

Belehrt der Unternehmer den Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht, hat dies zur Folge, dass sich der Verbraucher über einen langen Zeitraum hinweg ohne die Angabe von Gründen von dem Bauvertrag lösen kann. Wenn auch die Ausübung eines Widerrufs im Einzelfall immer genau überlegt werden sollte (insbesondere fallen mit dem Widerruf auch die Mängelrechte hinsichtlich bereits erbrachter Leistungen weg), kann die Ausübung des Widerrufsrechts ein scharfes Schwert in der Hand des Auftraggebers sein.

Bislang galt die Auffassung, dass die Regelungen zum Verbraucherbauvertrag und das damit einhergehende Widerrufsrecht nur auf Verträge anwendbar seien, durch die ein Unternehmer zur schlüsselfertigen Erstellung des Gebäudes „aus einer Hand“ verpflichtet wird und daher nicht auf die einzelne Vergabe von Gewerken, also beispielsweise den Rohbau im Rahmen der Erstellung eines Wohnhauses anwendbar seien.

Von dieser bisherigen Auffassung ist nun u. a. das Landgericht München I in seinem Urteil vom 28.10.2021 abgewichen. Es ist der Auffassung, dass vor dem Hintergrund der Gewährleistung eines umfassenden Verbraucherschutzes die fehlende Erwähnung des Vertrags über die Herstellung eines Bauwerks „oder eines Teils“ als unbeabsichtigte gesetzgeberische Lücke zu werten sei, da ein sachlicher Grund, warum der Bauherr bei gewerksweiser Vergabe weniger schutzwürdig sei als der Bauherr, der sein Haus aus einer Hand errichten lässt, schwer auszumachen sei. Ein Verbraucherbauvertrag sei deswegen auch dann anzunehmen, wenn der Verbraucher das Bauvorhaben in mehrere Bauverträge aufspaltet, die er mit mehreren Unternehmern isoliert abschließt.

In dem von dem Landgericht München I entschiedenen Fall hatte ein Verbraucher als Auftraggeber beim Auftragnehmer ein Angebot über die Erstellung einer Baugrube zwecks Errichtung eines Einfamilienhauses eingeholt. Nachdem der Vertrag zustande kam, ergänzte der Auftragnehmer sein Angebot um den Nachtrag für den Berliner Verbau (hierbei handelt es sich um einen Baugrubenverbau der das Nachrutschen von Erdreich in eine Baugrube verhindern soll), der das Dreifache des ursprünglichen Angebotes ausmachte. Daraufhin widerrief der Auftraggeber den Vertrag und ließ die Baugrube von einem anderen Anbieter errichten. Der Auftragnehmer war der Ansicht, dass der Auftraggeber den Vertrag „frei“, also ohne einen zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Grund, gekündigt habe und verlangte den entgangenen Gewinn. Dieser wurde ihm von dem Landgericht München I nicht zugesprochen, da – so die Auffassung des Gerichts – es sich bei dem Vertragsverhältnis um einen Verbraucherbauvertrag gehandelt habe, obwohl nur ein einzelnes Gewerk Gegenstand der Beauftragung war.

Verbraucherfreundlich wehrt die Rechtsprechung damit die sich nach der jüngsten Gesetzesänderung verbreitete Praxis der Komplettanbieter ab, die Anwendbarkeit des § 650 i BGB (Widerrufsrecht) durch Auslagerung bestimmter Gewerke zu umgehen.

Aus Sicht des Auftragnehmers bedeutet diese Entscheidung verstärkt darauf zu achten, ob es sich bei einem anstehenden Vertragsverhältnis um einen Verbraucherbauvertrag handelt und ggfls. die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben bei der Vertragsgestaltung und der Widerrufsbelehrung einzuhalten.

Sollten Sie zu diesem Thema weiteren Informationsbedarf haben, steht Ihnen Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Friedrich Sanders gerne jederzeit zur Verfügung.